Interview mit Renate Oberschmidleithner aus St. Pius

Renate Oberschmidleithner hat 1998 ihre Arbeit in St. Pius begonnen. Im Jänner 2024 geht sie in die wohlverdiente Pension. Am Caritas-Standort St. Pius wurde sie von den Mitarbeiter*innen sowie den Bewohner*innen sehr geschätzt. Im Interview mit dem Redakteur Michael Wilhelm verrät sie, was ihr an ihrer Arbeit besonders gut gefallen hat, und mit welchen Herausforderungen sie zu tun hatte.

Das Interview gibt es zum Lesen oder auch zum Anhören.

Michael W.: Mein Name ist Michael Wilhelm. Ich befinde mich jetzt im Pausenraum der Angestellten und habe jetzt das Vergnügen, eine langjährige Mitarbeiterin zu interviewen, die kurz vor der Pensionierung steht. Renate Oberschmidleithner wird uns jetzt ein paar Fragen beantworten. Renate, seit wann bist du bei der Caritas Oberösterreich bzw. St. Pius?

Renate O.: Ich habe in St. Pius am 1. Dezember 1998 zum Arbeiten begonnen.

Michael W.: Was hast du in deiner Arbeit gemacht?

Renate O.: Ich bin am 1. Dezember `98 von der Schwester Hiltrud, der damaligen Einrichtungsleiterin und von Dr. Sellner als Sekretärin aufgenommen worden.

Michael W.: Wolltest du schon immer diesen Job?

Renate O.: Das kann man so nicht sagen. Ich bin durch einen persönlichen, tragischen Schicksalsschlag auf Jobsuche gewesen. Ich habe bis dahin in Wels gearbeitet, war zufrieden mit meiner Arbeit, habe aber eine Tochter gehabt und wollte in der Nähe eine Arbeitsstätte haben.

Michael W.: Was ist in deinem Job wichtig?

Renate O.: Mein Job ist sehr verantwortungsvoll. Ich bin Assistentin der Abteilungsleitung Wohnen und hab sehr viel mit Personaldingen zu tun - und mit Finanzen. Das sind sehr wichtig Aufgaben.

Michael W.: Gab es in deinem Job Herausforderungen? Wenn ja, welche? Was war deine größte Herausforderung?

Renate O.: Meine größte Herausforderung war der Umstieg von der Leitung der Franziskanerinnen zur Caritas und auch die Einführung des Kollektivvertrags - davor hat das Gehaltsschema DBO geheißen - und dann in Folge von der Caritas für Menschen mit Beeinträchtigungen wieder die Umstellung zur Caritas Oberösterreich.

Michael W.: Was machte dir am meisten Spaß?

Renate O.: Den meisten Spaß machte mir, dass ich mit Kund*innen Kontakt habe, aber auch mit den Mitarbeiter*innen. Dass sie zu mir kommen und mich um Hilfe bitten. Mir macht die vielfältige Aufgabe Spaß. Ich hab auch die Freizeitkoordination zu den Themen Sport, Erwachsenenbildung sowie Abendschule. Im Großen gesagt, einfach die vielfältige Aufgabe.

Michael W.: Welche Empfehlung würdest du deiner Nachfolgerin geben?

Renate O.: Schwer zu sagen … sehr genau zu sein. Weiterbildungen zu machen - gerade arbeitsrechtliche. Immer am Ball zu bleiben. Kommunikativ zu sein. Das ist das Wichtigste.

Michael W.: Nach welchen Werten handelst du?

Renate O.: Wertschätzung. Mitgefühl. Füreinander da zu sein. Gut zuhören. Was braucht der andere - aufmerksam sein. Ein zwischenmenschliches Gespür zu haben, das ist ganz wichtig in meiner Arbeit.

Michael W.: Was sind deine besonderen Stärken? Deine Fähigkeiten, die dir in deinem Job geholfen haben?

Renate O.: Flexibel sein. Genau sein. Schnell sein. Eine gute Auffassungsfähigkeit und vor allem loyal sein - gegenüber den Vorgesetzten.

Michael W.: Gab es beeindruckende, berührende oder lustige Erlebnisse? Wofür bist du dankbar?

Renate O.: Ich bin dankbar dafür, dass ich in der Caritas arbeiten hab dürfen, dass ich die Kundinnen und Kunden kennenlernen hab dürfen. Man kennt sie zwar - als gebürtige Peuerbacherin - aber man hat nie die Möglichkeit, sie so gut kennenzulernen, wenn man nicht in St. Pius arbeitet. Für das bin ich wahnsinnig dankbar und ich freue mich trotzdem in der Pension, dass ich sie weiterhin sehe und sehen werde und miteinander in Kontakt bleiben kann.

Michael W.: Wie hältst du dich fit?

Renate O.: Mit Sport, mit Yoga und mit meinen Enkeln.

Michael W.: Was machst du in deiner Freizeit?

Renate O.: In meiner Freizeit mache ich Yoga, das möchte ich jetzt wieder verstärkt angehen im Jänner und die Gartenarbeit.

Michael W.: Was hast du sonst noch vor? In der Pension?

Renate O.: Das wird sich herausstellen, was ich sonst noch vorhabe, in der Pension. Da lasse ich mich jetzt überraschen.

Michael W.: Was sagen die Bewohner innen zu deiner Pensionierung?

Renate O.: Die Bewohnerinnen haben jetzt die vergangenen 14 Tage immer wieder geredet: “Wann gehst du jetzt in Pension?” “Übersehen wir das eh nicht?” Gerade heute sind sie mit Geschenken gekommen - mit Zeichnungen, mit berührenden Worten. Das ist sehr schön mitzuerleben.

Michael W.: Du hast gesagt, es war nicht der erste Job. Hast du vorher schon Zugang gehabt - zu beeinträchtigten Menschen?

Renate O.: Das war so: Ich habe 1978 zum Lernen angefangen, da habe ich Bürokauffrau gelernt und in der Buchhaltung gearbeitet. Dann geheiratet. Ein Kind bekommen. Nach vier Jahren hab ich wieder zum Arbeiten angefangen - in Wels. Bei der Firma Kärcher. Das war irrsinnig lustig und wollte eigentlich nicht weggehen. Aber wie eben schon erwähnt - durch einen persönlichen Schicksalsschlag habe ich in der näheren Umgebung eine Arbeit gesucht. Weil ich dann für meine Tochter alleine verantwortlich war und hab mir gedacht, ich werde mich blind bewerben - in einigen Firmen in Peuerbach. Und die Schwestern, die Franziskanerinnen, haben mich sofort genommen. Ich habe mich vorgestellt und mich darauf einlassen. Meinen Job hat es noch nicht geben. Den hab ich von null aufgebaut - mithilfe der Schwester Hiltrud und Dr. Sellner. Es war mir sofort lustig gewesen. Ich habe bis dahin Kontakt mit Menschen mit Beeinträchtigungen nur von der Ferne gehabt. Wenn man in Peuerbach einkaufen geht, dann hat man sie halt gesehen und damals 1998 sind sie noch in Gruppen einkaufen gegangen. Da gab es noch keine Teilbetreuung draußen. Das war immer voll betreutes Wohnen. Und sobald ich in St. Pius war, habe ich den Kontakt mit den Bewohner*innen gehabt und da war sofort eine Ebene da. Manche sind zu mir ins Büro gekommen und haben sich sofort vorgestellt, manche hat man von draußen gesehen. Und das Kennenlernen, diese Wertschätzung von den Bewohnern - das hat mich sofort fasziniert. Und ich hab mir nie gedacht “Ich bin in der falschen Firma”

Michael W.: Und war das für dich etwas Besonderes. Zuerst weltliche Personen als Vorgesetzte zu haben und dann Geistliche.

Renate O.: Man ist ja so aufgewachsen. Kirche, Klosterschwestern. Ich habe schon immer Respekt meinen Vorgesetzten gegenüber gehabt, ob sie jetzt weltlich oder geistlich sind. Es gibt da keinen Unterschied. Natürlich ist ein Schwestern-„Regime“ etwas anderes als draußen in der Wirtschaft. Wo ich einen Unterschied gemerkt habe, war,  als ich von Wels nach St. Pius gekommen bin. In Wels war ich EDV-technisch top ausgestattet. In Pius gab es da nichts. Das war für mich Rückschritt. Das hat sich aber dann sofort - binnen kurzer Zeit - alles geändert.

Michael W.: War das dann in deiner Zeit noch so, dass du vieles nur mit der Hand geschrieben hast und wart ihr da schon am Weg Richtung Computer?

Renate O.: Nein, wir waren schon am Weg Richtung Computer. Aber natürlich bei Weitem nicht so, wie ich es gewohnt war. Es ist aber dann alles relativ schnell gegangen.

Michael W.: Ja, das glaub ich, dass das schon herausfordernd war. Besonders wenn man ein gewisses Wissen über Elektronik hat und dann muss man einen Schritt zurück machen.

Renate O.: Am Anfang habe ich mir gedacht: “Maria, wo bin ich jetzt gelandet?” Und das ist für mich ja normal gewesen, dass ich einen Computer habe, und damit arbeite.

Michael W.: Und war das auch manchmal Stress für dich? Wo du dir dachtest, jetzt könnte es gerne weniger Arbeit sein?

Renate O.: Nein, sowas mag ich ja gerne. Ich bin ein Mensch der Herausforderungen braucht. Ich wär bei einem Job, wo ich immer das Gleiche mache, nicht richtig aufgehoben. Da wäre ich wahrscheinlich unglücklich und wäre nicht lange geblieben.

Michael W.: Ja ich habe das selber erlebt, dass man zu dir kommen kann, wenn man schnell was braucht. Du warst dann zur Stelle. Ich persönlich bin oft da gewesen wegen schnellen Ausschreibens eines Kabaretts. Es ist dann meistens auf die Minute erledigt worden. Es war eigentlich immer gleich gemacht und ist trotzdem nicht selbstverständlich, weil ich genau gewusst habe, welche Arbeiten du leistest und im Hintergrund erledigst.

Renate O.: Das ist das Schöne an der Caritas. Das haben auch schon die Schwestern so zelebriert. Die Bewohner*innen gehen vor. Eure Wünsche und Bedürfnisse gehen vor der alltäglichen Arbeit. Die muss auch geschehen, aber wir im Büro sind vorrangig angestellt für die Kund*innen, die wir zu betreuen haben. Da muss ich jetzt kein Basis-Betreuer sein, aber auch wenn ich in der Verwaltung sitz, bin ich eigentlich für die Kund*innen dort. Und das ist schön gewesen, für mich zu erfahren, dass das so ist. In der Wirtschaft ist das das Gegenteil. Da gibt es nur Leistung, Leistung, Leistung.

Michael W.: Stimmt, ich hör das auch selbst. Das dort Leistung erbracht werden muss und dort muss noch mehr Gewinn gemacht werden. Im Sozialberuf ist es so, dass der Mensch im Vordergrund stehen soll. Genauso wie du sagst, Arbeit ist natürlich wichtig und es ist wichtig, wenn man so einen Job macht wie du, dass man trotzdem - auch wenn man im Büro sitzt - dass man einen Zugang hat, zu den Leute, die da dazu gehören sind. Zu den Vorgesetzten, und auch Bewohner. Für Bewohner ist das ganz wichtig, dass sie wissen, wo sie hingehen können - und du warst so eine Anlaufstelle. Wenn man etwas nicht wusste, dann ist man zu dir gekommen. Man hatte einfach einen Zugang zu dir.

Renate O.: Das hab ich meiner Nachfolgerin auch schon gesagt: ”Wenn morgen die gewissen Bewohner*innen kommen, dann nimm dir Zeit und rede mit ihnen - egal ob Wünsche oder Beschwerden. Egal ob eine halbe oder dreiviertel Stunde. Das gehört zu deiner Arbeit dazu.”

Michael W.: Ja, das war für mich auch immer wichtig. Wenn ich Zeit hatte, dann hab ich vorbeigeschaut bei dir. Egal ob das mit der Arbeit zu tun hatte, oder ob wir über einen Kinofilm gesprochen haben. Das ist schon wichtig, dass wir uns mitteilen in jeglicher Form und nicht unterscheidet - ob privat oder Arbeit. Ich sag immer “Was du nicht sagen willst, brauchst du nicht sagen - und wenn du einmal weniger Zeit hast, dann steht dir auch das Recht zu, zu sagen  ”Du musst wieder gehen. Ich muss weiterarbeiten.” Auch das müssen die Bewohner*innen lernen.

Renate O.: Aber da muss ich sagen, das hat immer jeder Bewohner verstanden. Wenn man einen Termin gehabt hat, oder eine Besprechung oder man steckt mitten in der Budgetarbeit. Dann hat man oft keinen Kopf für anders. Aber dann sagt man das und jeder versteht es.

Michael W.: Und was mir auch immer gefallen hat. Du warst immer bei den Aktivitäten dabei. Da fällt mir der Fasching ein. Da ist mir immer aufgefallen, dass du immer verkleidet gekommen bist. Du warst immer dabei.

Renate O.: Ja das stimmt. Ich bin wahnsinnig gern verkleidet.

Michael W.: Und da hab ich auch das Gefühl gehabt, du hast mit uns gelebt und diese Momente mit uns gefeiert.

Renate O.: Ja, das hab ich gerne gemacht und das wird mir auch fehlen. Solche Highlights wie Fasching - oder das Maifest. Ich werde zwar als Besucherin kommen, aber das ist wieder etwas anderes. Auch jetzt die Adventszeit - das sind schöne Feste. Und wie wir die Stocksporttage im Peuerbach gefeiert haben, das war auch schön zu organisieren. Das war ein Mega-Event - das war wirklich toll.

Michael W.: Stimmt und das war noch dazu in der Corona Zeit. Wir wussten nicht, ob wir es machen können oder nicht. Und trotzdem waren wir es dann, die das gemacht haben. Da haben wir wirklich viel mitgeholfen, damit das möglich war und haben gesagt, wir versuchen es einfach. Wir wollten versuchen, dass wir eine Normalität hinkriegen. Wir haben gesagt, wir werden uns an die Vorschriften rund um Corona halten, aber wir werden versuchen, dass wir diese Veranstaltung durchziehen.

Renate O.: Und es ist uns gelungen!

Michael W.: Und das ist eine der größten Veranstaltungen und schönsten Veranstaltungen gewesen, die wir jemals gemacht haben.

Renate O.: Und ich hab auch schon zu Special Olympics gesagt “Wenn ihr jemals wieder so etwas veranstaltet in Peuerbach, dann ruft mich an - dann helf ich euch.”

Michael W.: Und dann kommen wir schon zu einem nächsten Thema, kann man dich für gewisse Aktivitäten wieder anfragen? Wenn wir beim Weihnachtsmarkt jemanden an der Kassa brauchen z.B.?

Renate O.: Wenn ihr Hilfe braucht, dann könnt ihr mich gerne anrufen. Bei so Sachen, die ich jahrelang gemacht habe und wo ich mich auskenne, helfe ich gerne. Das ist schön.

Michael W.: Ich finde es auch schön, wenn man Personen hat, die einmal da gearbeitet haben. die immer wieder mal vorbeischauen und mithelfen bei gewissen Veranstaltungen.

Renate O.: Ja das stimmt, man freut sich, wenn man sich wieder sieht und dann plaudern kann. Dann hat man auch die Zeit, dass man sich niedersetzt und einen Kaffee trinkt und quatscht.

Michael W.: Renate, danke für das Interview und ich hoffe, wir sehen uns hin und wieder irgendwo in Peuerbach.

Renate O.: Da vertrau ich stark darauf. Ich freue mich schon drauf. Danke.

Interview mit Renate Oberschmidleithner
geführt von Michael Wilhelm