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Wohnen wird vom Grundbedürfnis zum „Luxusgut“

Gastkommentar von Franz Kehrer, MAS, Direktor der Caritas Oberösterreich, in den OÖ Nachrichten am 31. Dezember 2022.

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf. Die Teuerungen bei Strom und Heizkosten führen uns aktuell allen schmerzlich vor Augen, womit Menschen mit geringem Einkommen bereits seit Jahren zu kämpfen haben: den steigenden Ausgaben für Wohnkosten. In einer vom Sozialministerium beauftragten Studie geben 1,1 Millionen Menschen im zweiten Quartal 2022 an, dass die Wohnkosten eine schwere finanzielle Belastung für sie sind.

In den Caritas-Sozialberatungsstellen beobachten wir auch schon seit langem, dass Wohnen für immer mehr Menschen zum Luxus wird. Rund 41 % ihres Einkommens müssen von uns betreute Menschen im Schnitt dafür berappen. Sie wohnen überwiegend in Mietwohnungen, die seit Jahren steigenden Preise bringen viele Menschen in Existenznöte. Laut Statistik Austria sind die Mietpreise in Oberösterreich in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um 30% angestiegen. Wohnen wird vom Grundbedürfnis zum „Luxusgut“.

Die Wohnbeihilfe des Landes OÖ wäre eine wichtige Hilfe, gerade in Zeiten wie diesen. Doch der Rechnungshof hat kürzlich festgestellt, dass sich die Zahl der Bezieher*innen seit 2017 von 31.100 auf rund 24.400 im Vorjahr verringert hat. Dieser Befund bedeutet ein Armutszeugnis für diese eigentlich sehr wertvolle staatliche Hilfe, die dazu eingerichtet wurde, um Armut und Wohnungsnot zu vermeiden. Auch in unseren Sozialberatungsstellen zeigt sich ein deutlicher Rückgang bei den Menschen, die Wohnbeihilfe beziehen. Gründe dafür sind u.a. die Verschärfung der Anspruchskriterien und auch die seit Jahren nicht veränderte 7-Euro-Grenze. Sehr viele Menschen, die zu uns kommen, sind auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen. Und hier sind gerade im städtischen Bereich kaum mehr Wohnungen um 7 Euro pro Quadratmeter zu bekommen. Das ist aber die Grenze für den Anspruch auf Wohnbeihilfe bei privat vermieteten Wohnungen. Eine Grenze, die viele Menschen, die dringend Hilfe bräuchten, von dieser bewusst ausschließt.

Der Landesrechnungshof hat darüber hinaus auf einen eklatanten Missstand hingewiesen, der seit Einführung der neuen Sozialhilfe in Oberösterreich besteht: die Wohnbeihilfe wird auf die Sozialhilfe als Einkommen angerechnet. Das führt zu der absurden Situation, dass Menschen, die Sozialhilfe beziehen – die meisten (62 %) davon als Aufzahlung zu einem zu geringen Einkommen – zwar die Wohnbeihilfe beantragen müssen, sie ihnen dann aber wieder als Einkommen von der Sozialhilfe abgezogen wird. Was dazu führt, dass sie in vielen Fällen die Sozialhilfe nicht mehr erhalten, weil sie mit der Wohnbeihilfe als Einkommen über den zulässigen Richtsatz kommen. Im soeben beschlossenen Gesetz zur Sozialhilfe wurde die Kritik nicht berücksichtigt und sogar die Tür zu unangekündigten behördlichen Kürzungen aufgemacht.

Gerade auch beim Grundbedürfnis Wohnen braucht es mehr denn je verlässliche soziale  Sicherungssysteme um die Zunahme von Armut und sichtbare Wohnungsnot zu verhindern. Insbesondere in Krisenzeiten. Wenn jedoch in der Krise der Bezug von Sozialleistungen zurückgeht, müssten alle Alarmglocken schrillen. Es geht darum, nicht jenen Hilfe zu verwehren, die sie dringend brauchen.