Integration durch Interaktion

Jeder fünfte Mensch in Steyr hat keine österreichische Staatsbürgerschaft. Damit das Zusammenleben gut gelingt, schafft das Integrationszentrum Paraplü Räume für Begegnung. Es will unterschiedlichen Kulturen ermöglichen, miteinander in Kontakt zu treten.

Keine der Frauen in dem kleinen Zimmer hat eine Stimme.

Hanin Qawasmeh kam vor einem Jahr mit ihrem Mann aus Jordanien. Sie genießt die Natur in Österreich und die Freiheit. „Niemand mischt sich bei jemand anderem ein“, sagt sie.

Shahnaz Alkhalil kam 2015 – ebenfalls mit ihrer Familie – aus Syrien. Die Sprache bereitete ihr anfangs Probleme. Mittlerweile geht ihr Sohn in die HTL, eine Tochter aufs Gymnasium. Die Älteste – sie ist 23 - studiert Medizin. Shahnaz Alkhalil selbst arbeitete im Hort und Kindergarten in der Nahmittagsbetreuung. Sie absolviert nun eine Ausbildung zur Pädagogin.

Rund ein Dutzend Frauen sitzt in dem kleinen Raum. Ein Zimmer, umfunktioniert zu einem Frauencafé. Ein Ort, der ihnen eine Stimme gibt. Sie reden darüber, die Wahl zu haben – an diesem Tag die Bundespräsidentenwahl. Gesprochen wird über alles, was in ihrem Leben gerade aktuell ist. Manchmal geht es um die Lehre, um die österreichischen Gesetze zur Aufsichtspflicht, über Ausbildungsmöglichkeiten. Sie trinken Kaffee, essen belegte Brote, tauschen sich aus und lachen viel.

Seit sie in Österreich ist, kommt Shahnaz Alkhalil ins Frauencafé. Ihr Sprachniveau ist mittlerweile auf B2. Sie kommt gerne. Hier fühlt sie sich willkommen, kommt unter Leute und bekommt hilfreiche Tipps zur Kindererziehung und zu Arbeitsmöglichkeiten.

Freiheit und Recht für Frauen

Überschaut wird das Café von Caritas-Mitarbeiterin Esmat Jawaheri. Sie kam selbst vor 14 Jahren aus dem Iran nach Österreich. Sie wollte ihre Kinder in einem Land erziehen, „in dem es Freiheit gibt“, wie sie sagt. Und fügt hinzu: „Weil es Mädchen sind.“ In ihrer eigenen Kindheit durfte sie nicht Rad fahren oder sich mit Buben treffen. Auch als sie älter war durfte sie sich nicht mit einem Mann treffen, ohne mit ihm verheiratet zu sein. „In Österreich sind Männer und Frauen vor Gericht gleichwertig“, sagt Esmat Jawaheri. „Im Iran haben Männer z.B. im Scheidungsfall mehr Rechte. Und Kleinigkeiten werden von oben kontrolliert, z.B. wie man sich anzieht.“

Vier Jahre wartete sie auf einen positiven Asylbescheid. Eine lange, frustrierende Zeit. „Integration braucht Sicherheit“, ist sie überzeugt. „Man will arbeiten, hängt aber in dieser Wartezeit in der Luft.“ Als der Bescheid kam, studierte sie Sozialpädagogische Fachbetreuung. Seit zehn Jahren arbeitet sie nun bei der Caritas. Bei Paraplü hilft sie Menschen, sich besser in Österreich zu integrieren. „Ich kenne das Gefühl der Frauen, keine Kontakte zu Menschen in Österreich zu haben“, sagt sie. Als sie nach Österreich kam, gab es noch weniger Integrationsangebote. Heimisch fühlte sie sich erst, als sie Kinder bekam und in ihrer Karenz einen Kindertreff besuchte. Außer ihr waren nur Österreicherinnen in der Gruppe. „Da hatte ich das Gefühl: Jetzt gehöre ich dazu“, sagt sie lachend.

Wahl für alle ohne Stimme

Um den Menschen mehr Möglichkeiten zu geben, sich zugehörig zu fühlen, schafft das Integrationszentrum Paraplü Begegnungsräume. Es finden Integrationsfeste und Sprachcafés statt – nicht nur für „Zuagroaste“, sondern vor allem auch für Menschen in Österreich, die andere Kulturen erleben möchten. Lesungen laden zum Austausch ein. „Paraplü steht für Vielfalt“, erklärt Leiterin Dorothea Tockner. „Uns ist die Sichtbarkeit nach außen hin wichtig. Und die Haltung, politische Themen auch kontrovers diskutieren zu können.“

Dazu steht sie in den Tagen vor der Bundespräsidentenwahl auf der Straße. Sie spricht Passant*innen an und lädt sie zur „Pass Egal Wahl“ ein – eine Wahl für alle, die am Wahltag keine Stimme abgeben dürfen. Betroffen ist jeder fünfte Mensch in Österreich. So wie Dorothea Tockner selbst. Sie ist gebürtige Deutsche und lebt seit elf Jahren in Österreich. Den parteipolitischen Bezug zu Deutschland verlor sie nach einigen Jahren in der Fremde. Wählen dürfte sie in Deutschland trotzdem noch. In Österreich nicht. „Ich habe in Österreich....

Lesen Sie die vollständige Reportage über Integrationsarbeit in Steyr sowie aktuelle Infos aus der Caritas in der neuen Ausgabe unserer Zeitung „nah dran“. Kostenlos abonnieren bei der Caritas Information, Tel. 0732/7610-2020, information@caritas-ooe.at

Dorothea Tockner stimmt bei der Pass Egal Wahl mit. Diese zeigt das demokratische Vakuum im österreichischen Wahlrecht auf.

Shahnaz Alkhalil floh aus Syrien und arbeitet nun in der Kinderbildung und -betreuung.

Im Vergleich zu Jordanien genießt Hanin Qawasmeh in Österreich die Freiheit.