Mehr Klient*innen, aber vor allem auch höhere Kosten, um die Menschen zu stabilisieren, spürt Michaela Haunold in der Sozialberatung.

„Es erwischt immer mehr Menschen, die sich sicher gefühlt haben“

Die Teuerungen kommen an – auch in der Sozialberatung der Caritas. Michaela Haunold, Leiterin der Sozialberatung, erzählt von den Auswirkungen auf die Menschen, die sich immer in Sicherheit gewogen hatten.

Was ist derzeit in der Sozialberatung  spürbar?

Haunold: „Nach drei Jahren Dauerkrise merkt man, dass bei vielen der Finanzpolster durch die Covid-Krise und die Teuerungen weg ist. Viele Menschen hatten Rücklagen und dachten, sie seien abgesichert. Jetzt merken sie, dass sie nicht zurande kommen. Seit dem Sommer merken wir, dass die Anfragen steigen.“

Mit welchen Ausgaben kämpfen die Leute?

Haunold: „Die Menschen haben oft einen geringen Spielraum, ihren Verbrauch zu reduzieren. Sie leben in einer Mietwohnung können nicht selbständig Fenster oder Wände dämmen. Nun sind sie bei den Energie- und Heizkosten entweder mit monatlichen Kosten oder Einmal-Kosten konfrontiert, die das Gewohnte weit übersteigen. Eine Alleinerzieherin kam zu uns, nachdem sie in eine kleine, mit Gas beheizte Wohnung zog. Zu 450 Euro Mietkosten kamen noch einmal 470 Euro monatliche Rate für die Gasheizung. Eine andere Klientin füllt einmal im Jahr ihre Pellets für die Heizung auf. Was sie sind 1.200 Euro für den Winter gekostet hatte, macht nun 3.400 Euro aus. Ein Bäcker zahlt nun 7.500 Euro statt wie früher 1.500 Euro für den Strom – diese Kosten kann er nicht an die Konsument*innen weitergeben.

Die Erhöhung ist so heftig, dass sie oft das drei- bis vierfache ausmacht. Wenn man keine Rücklagen hat, hat man tatsächlich ein Problem.“

Wie geht es den Menschen dabei?

Haunold: „Teil unserer Arbeit ist immer auch die Psychohygiene. Bevor wir mit der konkreten Hilfe ansetzen können, brauchen die Menschen, die zu uns kommen, Zeit ihre Emotionen zu ordnen. Der Druck auf den bzw. die Einzelne ist größer geworden. Wir spüren die Verzweiflung, die Scham und das Unverständnis der Menschen darüber, wie sie in diese Situation geraten konnten. Sie befinden sich in einer emotionalen Ausnahmesituation. Denn es erwischt immer mehr Menschen, die sich sicher gefühlt haben.“

Könnte man etwas präventiv machen?

Haunold: „Hilfreich ist es, wenn die Leute früh genug kommen. Je früher, desto besser, und am besten nicht erst einen Tag vor der Stromabschaltung. Hier hilft es uns auch, wenn im sozialen Umfeld oder in der Nachbarschaft ein Bewusstsein dafür da ist und Menschen über diese Wege an uns verwiesen werden. Es ist wichtig zu schauen, wie es den Menschen in meiner Umgebung geht.“

Was ist für euch in der Sozialberatung gerade die größte Herausforderung?

Haunold: „Wir haben 10% mehr Klient*innen als letztes Jahr, aber 25% mehr Ausgaben – weil wir mehr Geld benötigen, um die Menschen zu stabilisieren. Früher gaben wir für eine Woche einen Lebensmittelgutschein um 40 Euro aus. Jetzt braucht es 60 Euro um den Bedarf für die Woche zu decken. Und das ist nur die derzeitige Situation - mit Frühling erwarten wir einen massiven Anstieg an Hilfesuchenden, wenn die Jahresabrechnungen kommen.“