Das schwankende Boot rief bei manchen, die zum ersten Mal auf Wasser ruderten, leichte Unsicherheit hervor.

Almtal: Lebensglück für Haftentlassene

Zwei Tage in einem Matratzenlager im Almtal - wie klingt das für Sie? Für einen Bewohner der WEGE, unserer Wohnbetreuung für Haftentlassene, war es das schönste Wochenende seines Lebens.

Im Herbst ging es für die Bewohner der WEGE auf ein sozialtherapeutisches Wochenende an den Almsee. Zwei Tage lang ging es darum, sich abseits des Alltagstrubels miteinander zu beschäftigen, sich füreinander zu interessieren und miteinander zu reden. Mit dabei: Dominik Bramberger, ein 36-jähriger angehender Psychotherapeut, der seit August ehrenamtlich mitarbeitet. In der Regel macht er drei bis fünf Nacht- oder Wochenenddienste. Dann führt er mit den Männern Gespräche über ihre Lebenssituation nach der Haftentlassung, unterstützt sie bei der Gestaltung der Freizeit und achtet auf die Einhaltung der Hausordnung. Ohne die insgesamt 18 freiwilligen Helfer und Helferinnen wäre die Betreuung in der WEGE nicht möglich. Nur durch sie können vor allem die Nacht- und Wochenenddienste – auch in der schweren Pandemie-Zeit - besetzt werden.

Während Dominik Bramberger noch „im Ankommen“ bei seinem freiwilligen Engagement war, eröffnete sich die Möglichkeit für ihn, beim Wochenende mit dabei zu sein. Er musste nicht lange überlegen und sagte zu. Zwei Tage, die auch bei ihm nachdrückliche Erinnerungen hinterließen.

„Der Almsee wirkt sofort auf die Gruppe“, erinnert sich Bramberger. „Wir erkundeten den See auf Wasser und auf Land, kochten gemeinsam, spielten Karten, besuchten den Tierpark, lachten und führten Gespräche bis tief in die Nacht. So eine Atmosphäre lädt zu tiefgründigeren Gesprächen ein.“

Schon als Kind interessierte sich der Oberösterreicher für den forensischen Bereich: Sein Vater war Grätzelpolizist in Steyr und dadurch „auf du und du“ mit verschiedenen Randgruppen – ohne sie dabei zu stigmatisieren oder zu brandmarken. Ein Umgang, der den Junior prägte und in ihm den Wunsch weckte, sich später selbst in diesem Bereich zu engagieren. „Oft sind die Leute in ihrem Leben ein- oder zweimal falsch abgebogen“, sagt er. „Sie sind in einem sozialen Umfeld aufgewachsen, in dem vieles, das für uns normal ist, kein Thema war.“

Das Wochenende am Almsee bedeutete für viele Bewohner, zum ersten Mal im Leben Erfahrungen mit dieser „Normalität“ zu machen. Zweimal fuhr die Gruppe mit einem Ruderboot auf den See – eine Ersterfahrung, die bei manchen aufgrund des unsicheren See-Wellensgangs ein leichtes Gefühl der Unsicherheit hervorrief. Auch ein Besuch vom Tierpark Cumberland war für so manchen die erste Erfahrung mit einem Tierpark überhaupt. „Einen 65-jährigen pensionierten Bewohner, der lange im Gefängnis war, haben wir bei der Kassa darauf aufmerksam gemacht, dass er mittlerweile den Pensionisten-Tarif zahlt“, erinnert sich Bramberger. „Plötzlich als Pensionist behandelt zu werden war für ihn sehr bedeutungsvoll: Für ihn hieß das, wieder als Teil einer normalen gesellschaftlichen Gruppe wahrgenommen zu werden.“

Beim Aufbruch zurück nach Wels meinte jener 65-jährige Pensionist: „Das war das schönste Wochenende meines Lebens.“ Zwei Tage in einer Selbstversorgerhütte im Almtal.

„Diese Erlebnisse haben auch bei mir Spuren hinterlassen“, betont Bramberger. „Man entwickelt andere Wertigkeiten. Das erdet.“

Lesen Sie mehr Geschichten darüber, wie freiwilliges Engagement in der Caritas OÖ aussehen kann, in der aktuellen Ausgabe der Zeitung „nah dran“. Sie erscheint 4x jährlich. Kostenlos abonnieren bei der Caritas Information, Tel. 0732/7610-2020, information@caritas-linz.at

Dominik Bramberger mit seiner Freundin Magdalena. Der 36-jährige begann  vor zwei Jahren die Ausbildung zum Psychotherapeuten und unterstützt seit August 2021 unsere WEGE.