Ein Tag mit Silvia Altmann, Leiterin des Lerncafés Linz/Auwiesen

Bildung ist ein wichtiger Grundpfeiler für ein besseres Leben. Kinder und Jugendliche aus sozial bedürftigen Familien haben jedoch eine schlechtere Ausgangssituation und starten mit größeren Hürden ins Leben. Die Caritas-Lerncafés helfen diesen Kindern.

Zuhause zu lernen fällt Amir schwer. Der 12-Jährige lebt mit seinen Eltern und vier Geschwistern einer 2-Zimmer-Wohnung. Dort findet er selten die Ruhe, um konzentriert zu lernen. Die zwei Nachmittage pro Woche, an denen er ins Lerncafé Auwiesen kommt, sind ein richtiger Segen für ihn. Hier kann er konzentriert seine Hausübungen machen und lernen. Wenn er Hilfe braucht, stehen ihm Ehrenamtliche zur Seite, die ihm gerne etwas erklären. Und um den Kopf vom Lernen wieder frei zu bekommen, ist genügend Zeit da, um mit den anderen Kindern zu spielen. Der Bedarf für das Angebot ist groß. Rund zwanzig Kinder kommen regelmäßig ins Lerncafé Auwiesen. Auf der Warteliste stehen noch einmal 28. Manche der Kinder sind schon dabei, seit das Lerncafé im Jänner 2015 eröffnet wurde. Leiterin Mag.a Silvia Altmann sorgt dafür, dass alles rund läuft. Sie teilt die freiwilligen MitarbeiterInnen ein, spricht mit den Eltern, plant Aktivitäten und Ausflüge und kauft für die gesunde Jause ein, die es jeden Nachmittag gibt. Besonders wichtig ist ihr, dass sich jedes Kind willkommen fühlt und die Ehrenamtlichen genügend Wertschätzung bekommen. „Ich versuche herauszufinden, aus welcher Motivation heraus die Menschen sich engagieren. Manche verbringen gerne Zeit mit den Kindern, andere sind pensionierte LehrerInnen und wollen ihre Fertigkeiten weiter nutzen und wieder andere schätzen den sozialen Austausch. Jeder soll das bekommen, was er braucht“, erklärt sie. Auch legt sie Wert darauf, dass Eltern und Kinder die Arbeit der Freiwilligen schätzen – die auch bei Schönwetter kommen, wenn sie auch am See liegen könnten, und die nicht immer einfache Arbeit erledigen. „Es soll den Eltern und Kindern bewusst sein, dass das nicht selbstverständlich ist.“

ANDERE ERWARTUNGEN ANS BILDUNGSSYSTEM

Das Angebot vom Lerncafé ist kostenlos. Gerade die sozial bedürftigen Familien könnten es sich sonst nicht leisten. Die meisten Kinder haben Migrationshintergrund und ihre Eltern haben manchmal andere Erwartungen an das Bildungssystem, als es das österreichische bietet. „Unser Bildungssystem verlangt, dass Eltern mit ihren Kindern zuhause lernen“, erklärt Altmann. „In der Türkei z.B. gibt es Ganztagsschulen, welche die komplette Bildungsarbeit erledigen. Die Eltern gehen davon aus, dass es bei uns auch so ist.“ So haben die Kinder oft große Defizite in den Grundfähigkeiten, v.a. beim Lesen und den Grundrechnungsarten, weil niemand mit ihnen zuhause übt. Eine Rolle spielen dabei auch oft die sprachlichen Schwächen der Eltern und der niedrigere Bildungsstandard. Diese Defizite aus der Volksschule wirken sich auf den späteren Bildungsweg aus.

WERTESCHULUNG

Genauso wertvoll wie die schulische Hilfe sieht Altmann auch das „Drumherum“. Höflichkeit und Respekt werden betont. Die Kinder müssen beim Kommen und Gehen die Hand schütteln, die Jause wird immer gemeinsam beendet. Das prägt auch für das Leben außerhalb des Lerncafés. Und im Lerncafé ist immer jemand, der ihnen zuhört. Wenn es ihnen nicht gut geht, sie Probleme in der Schule oder zuhause haben – ein offenes Ohr lässt sich immer finden. Etwas, das sie in der Großfamilie zuhause nicht immer haben. Die Kinder spüren das – und fühlen sich wohl. So wohl, dass manche Kinder sogar vor dem Lerncafé stehen, wenn sie eigentlich nicht da sein müssten. An drei Tagen hat das Lerncafé offen. Die betreuten Kinder müssen an zwei davon anwesend sein. „Heute ist Mittwoch. Da musst du doch gar nicht kommen“, sagt Altmann dann verwundert, wenn ein Kind am „freien“ Tag dasteht. Wenn es dann entgegnet: „Aber ich bin doch so gerne hier…“, weiß sie, dass sie es richtig macht. Denn was wünscht man sich mehr, als dass die Kinder freiwillig zum Lernen kommen?