Freiwillig bei invita: Vladislava aus Russland

Ich habe jeden Tag meines Projekts gezählt und genau gewusst, wie viele Monate noch bis zum Ende bleiben. Normalerweise sagt man so etwas über Dinge, die einem überhaupt nicht gefallen und die man am liebsten sofort hinter sich bringen möchte. Bei mir war es jedoch genau umgekehrt: Ich konnte kaum glauben, wie viel Glück ich hatte, in einem so wunderbaren Team gelandet zu sein, und wollte mir gar nicht vorstellen, dass alles einmal zu Ende gehen würde. Doch meine Befürchtung wurde wahr – die Zeit verging viel zu schnell, und nun sind die letzten Wochen meines Freiwilligenjahres angebrochen. Aber wie war er eigentlich, mein Freiwilligendienst bei Caritas?

Natürlich war ich vor Beginn meines ESC-Weges sehr aufgeregt. Ich hatte Angst vor der Sprachbarriere – trotz meines Germanistikstudiums an der Universität – Angst, nicht ins Team zu passen, meine Aufgaben nicht zu schaffen oder die Erwartungen nicht zu erfüllen. Ein ziemlich typisches Paket an Sorgen, das wohl fast jedem Freiwilligen bekannt ist. Aber ich wusste: Der Tag, an dem meine Bewerbung angenommen wurde, war ein Schicksalsmoment. Als ich Russland Ende August 2024 verließ, hatte ich das Gefühl, ein wunderschönes neues Kapitel meines Lebens aufzuschlagen.

Ich kann nicht sagen, dass ich in den ersten Monaten meiner Arbeit in Österreich einen „klassischen Kulturschock“ erlebt habe – nein, es war eher so, als wäre ich in eine völlig andere Realität versetzt worden. Mich beeindruckte eine Gesellschaft, in der Inklusion, Vielfalt und gegenseitiger Respekt gelebt werden, in der Menschenrechte selbstverständlich sind und in der man auch mit schwierigen Lebensumständen – zum Beispiel durch Krankheit – ein erfülltes Leben führen kann. Über meine Eindrücke und Gedanken könnte ich noch viel mehr schreiben, doch in diesem kleinen Essay möchte ich vor allem von Dankbarkeit sprechen – und ich denke, das passt sogar besonders gut, denn wie man weiß, bedeutet „Caritas“ genau das.

An jeden einzelnen meiner Kunden möchte ich ein riesiges Dankeschön richten! Danke für unsere gemeinsamen Ausflüge, für das Feiern von Geburtstagen und Festen, für das aufrichtige Interesse, für unsere kreativen Aktivitäten, für all unsere Gespräche und für die persönlichen Tipps zum österreichischen Dialekt. Danke auch für den Wunsch, mir etwas Neues beizubringen – sei es Stricken oder Perlenfädeln. In jedem meiner Kunden habe ich ein Stück von mir selbst wiedergefunden: in der Liebe zum Shopping, zu Brettspielen und kleinen ungesunden Sachen wie Energy Drinks und Süßigkeiten, in eigenwilligen Kleidungsstücken, in Schüchternheit, Emotionalität und Träumerei, und auch in verschiedenen Hobbys – von Reisen bis zum Puzzeln. Ich bewundere das Talent, die Kreativität und die Fähigkeit, einfach man selbst zu sein, und ich bin stolz auf die innere Stärke, die wirklich jeder meiner Kunden besitzt.

Wunderbare Kolleg*innen

Ich habe außerdem den Sinn des Satzes „Alles erkennt man im Vergleich“ auf besondere Weise erfahren. In Russland habe ich viele verschiedene Berufe ausprobiert, doch nirgends bin ich so wunderbaren Kolleginnen und Kollegen begegnet wie bei der Caritas. An meinem ersten Tag wurde ich mit einer Herzlichkeit empfangen, die ich so gar nicht erwartet hatte. Meine Kolleginnen und Kollegen unterstützten mich nicht nur bei der Arbeit, sondern auch in persönlichen Angelegenheiten – zum Beispiel, wenn es um meine Zukunft ging. In ihnen habe ich nicht nur großartige Teammitglieder, sondern auch echte Freunde gefunden. Mit ihnen konnte ich meine Sorgen und Geschichten teilen, sie haben mich mit der österreichischen Kultur vertraut gemacht – sei es mit traditionellen Gerichten oder Spielen wie dem Eisstockschießen – sie haben mich stets unterstützt und mit Geduld meine Unbeholfenheit und meine vielen, vielen Fehler im Deutschen ertragen. Meine Angst vor Einsamkeit, die mich in den ersten Wochen und Monaten in Österreich begleitete, hat sich nie bewahrheitet: Im Kreis meiner Kolleginnen und Kollegen habe ich mich immer wichtig, wertgeschätzt und gehört gefühlt. Ich bin jedem von ihnen dankbar und weiß genau, dass mein Freiwilligenjahr ohne dieses Team niemals so wunderschön geworden wäre, wie es war.

Heute kann ich mit Sicherheit sagen: Es war eines der besten Jahre meines Lebens. Dieses Jahr des freiwilligen Engagements hat mir nicht nur berufliche Fähigkeiten vermittelt, sondern auch meine persönliche Entwicklung tief geprägt. Ich habe gelernt, empathisch zuzuhören, in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren und kreative Lösungen zu finden. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wichtig Geduld, Respekt und Offenheit im Umgang mit Menschen sind. Sie haben mich nicht nur als Fachkraft, sondern auch als Mensch bereichert.

Mein Herz ist erfüllt von grenzenloser Liebe zu jedem in der FA Wimm – und von tiefer Traurigkeit darüber, dass es vorbei ist. Doch wie ein schöner Gedanke, der mich noch aus meiner Schulzeit begleitet, besagt: „Sei nicht traurig, dass es vorbei ist – sei dankbar, dass es gewesen ist.“