© HERMANN WAKOLBINGER

Die Kraft der Solidarität

Ein Gastkommentar von Direktor Franz Kehrer, MAS in den OÖNachrichten am 11. November.

Am 11. November wird vor allem in vielen Kindergärten noch immer das Martinsfest gefeiert. Mit Laternen wird Licht und Wärme weitergetragen, um so symbolisch an das zu erinnern, wofür der Hl. Martin steht: Für Solidarität mit Menschen denen es nicht so gut geht und mit denen wir uns nicht so leicht tun. Er hat als Soldat kurzerhand seinen Mantel mit einem Bettler geteilt, als er ihn frierend vor den Stadttoren sitzen sah. Er hat sich berühren lassen vom Schicksal, von der Not des Mannes, hat nicht weggesehen und sofort gehandelt. „Wir sind da – und zwar für alle“ im Sinne der Nächstenliebe ist auch der Auftrag, ja die DNA der Caritas als Teil der katholischen Kirche. Es ist aber ebenso Auftrag jedes einzelnen Christen und gründet letztlich auf dem biblischen Auftrag Jesu: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Christliche Nächstenliebe wurzelt in der Haltung, dass wir in jedem Menschen letztlich Gott begegnen. Vor allem macht diese Botschaft Mut, dass auch scheinbar kleine Dinge, wie den Mantel teilen wichtig und wertvoll für ein gutes Miteinander als Gesellschaft sind.

Auf dem biblischen Gebot der Nächstenliebe „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ fußt auch die Solidarität als ein Grundprinzip der katholischen Soziallehre als Anleitung für unser Zusammenleben. So wie der einzelne nicht nur für das Wohlergehen seines Mitmenschen, sondern auch für das Wohl der Gesamtheit an sich verantwortlich ist, so trägt umgekehrt auch die Gesellschaft Verantwortung gegenüber ihren einzelnen Mitgliedern. Die institutionelle Form der Solidarität sind sozialstaatliche Sicherungssysteme.

Aber was heißt eigentlich „Solidarität“? Das Wort kommt aus dem lateinischen Wort „Solidum“, übersetzt heißt das „fester Grund“. Lebenswert ist eine Gesellschaft für alle dann, wenn es ein tragfähiges Fundament gibt, das Sicherheit und Stabilität gibt und wenn das Gefühl da ist, dass man sich aufeinander verlassen kann und gemeinsam Herausforderungen anpackt. Gottseidank gibt es nach wie vor ganz viel von dieser solidarischen Grundhaltung in unserer Gesellschaft.

Wir alle haben also etwas davon, wenn wir Nächstenliebe und Solidarität leben. Eine aktuelle Umfrage in Österreich hat ergeben, dass die eigene Familie zwar an erster Stelle der Werteskala steht, doch „Solidarität mit den Schwächeren“ ist ebenfalls hoch im Kurs: rund 30 % der Befragten erachten das als sehr wichtigen Wert für sich, 51 % sehen ihn zumindest als wichtig an. Das macht Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sich Menschen nach dem Vorbild des Hl. Martin auch heute noch berühren lassen von der Not anderer. Und dann auch in vielfältigen Formen Gesellschaft lebenswert gestalten und sich engagieren. Dass der Einsatz für andere auch das eigene Leben bereichert, hören wir immer wieder. Nicht umsonst heißt es: „Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“

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Mehr zum Thema Solidarität in einem Interview mit Direktor Franz Kehrer, MAS  gibt es im Podcast 'Mystik und Geist' der Katholischen Kirche in OÖ zum Nachören: https://mystikundgeist.podigee.io/19-solidaritaet