Wie Kreativität, Geduld und Übung zum Verstehen beitragen

Oliver Nußbaumer (26) aus Zell am Pettenfirst wollte nach Jahren in der Verkaufsbranche in einen Beruf wechseln, in dem der Mensch, und nicht das Kapital, im Vordergrund steht. So kam er auf den Sozialbetreuungsberuf und startete mit der Ausbildung zum Fachsozialarbeiter Behindertenbegleitung in der Caritas Schule Josee in Ebensee. Mit seinem Praktikum konnte er nun das Leben eines Mannes mit Beeinträchtigungen positiv verändern. Wer wie Oliver Nußbaumer Interesse an einem Sozialbetreuungsberuf hat, kann sich am Donnerstag, 16. November, 18 Uhr beim Online-Infoabend der Caritas-Schule Josee über die Ausbildung und spätere Arbeitsmöglichkeiten informieren.

Bei seinem Praktikum in der Lebenswelt Pinsdorf für gehörlose und taubblinde Menschen lernte Oliver Nußbaumer Jonathan (33) kennen und erinnert sich: „Anfangs verfügte ich bis auf das Fingeralphabet über keine Gebärdenkenntnisse, was die Kommunikation für mich problematisch machte. Doch das änderte sich nach den ersten Monaten. Meine Gebärden wurden besser und ich lernte täglich dazu.“ Nur die Verständigung mit Jonathan blieb aufgrund seiner Spastiken schwierig. „Man braucht enorm viel Geduld und einen guten Gebärdenwortschatz, um vermuten zu können, was Jonathan einem mitteilen möchte. Aber selbst dann gibt es keine Garantie, ihn zu verstehen.“ Oliver Nußbaumer konnte gut nachempfinden, wie frustrierend und nervenaufreibend es für Jonathan sein musste, wenn man sich nur sehr selten verstanden fühlt. Deshalb beschloss Oliver Nußbaumer, sich in seinem schulischen Fachprojekt mit dem Thema der unterstützenden Kommunikation auseinanderzusetzen. Er wollte eine Möglichkeit finden, mit der sich Jonathan besser mitteilen würde können. Jonathan verwendete zwar bereits sein Smartphone als Kommunikationsmittel, in dem er auf Bilder zeigte. Doch die Idee, eine angepasste App zu finden, wurde wegen der hohen Kosten und der Sorge, dass sich Jonathan vor seinen Mitmenschen weiter zurückziehen würde, verworfen – denn Jonathan zog sich ohnehin schon häufig mit dem Smartphone alleine in sein Zimmer zurück. 

Im Gespräch mit den Kolleg*innen erfuhr Oliver Nußbaumer, dass bereits einmal versucht wurde, dass Jonathan Gebärden bei anderen ausführte. Das erregte seine Neugier und er probiertes es gleich aus: „Jonathan sollte mit meinen Fingern etwas gebärden – und ich versuchte es zu erraten. Es war schwierig, aber Jonathan hatte großen Spaß dabei. Und so wurde das Konzept der unterstützten Gebärden zu meinem Fachprojekt.“ In Zukunft würde Jonathan damit nicht nur eine weitere Möglichkeit der Verständigung haben. Das unterstützte Gebärden fördert auch die zwischenmenschliche Beziehung und trainiert die Motorik. Gerade bei Spastiken ist es wichtig, regelmäßig Gelenke und Finger zu bewegen – und dazu eignen sich die unterstützten Gebärden hervorragend.

Rund fünf Monate hatten Oliver Nußbaumer und Jonathan Zeit, das unterstützte Gebärden zu üben und zu verfeinern. „Im Tun merkte ich, dass manches angepasst oder anders angegangen werden musste als zuerst gedacht. Doch schließlich fanden wir einen guten Weg. Mit Übungskärtchen zu Farben, Lebensmittel, Namen, Gebäuden und Orten, welche für Jonathan von Bedeutung waren, übten wir insbesondere Gebärden, welche im Leben von Jonathan relevant waren. Am meisten freute es mich, als mir gegen Projektende eine Kollegin, die erst vor kurzem von ihrer Karenz zurückgekehrt war und deshalb nichts von meinem Fachprojekt wusste, beiläufig berichtete, dass Jonathan ihre Hände nahm und anfing zu gebärden.“

Oliver Nußbaumer ist bewusst, dass die Kommunikation mit Jonathan weiterhin viel Geduld erfordern wird. Die unterstützten Gebärden müssen außerdem weiterhin trainiert werden, damit sie verständlich sind. Dafür hat er den Mitarbeiter*innen der Lebenswelt eine Übungsmappe zusammengestellt. Jedenfalls bestätigte dieses Projekt Oliver Nußbaumer in seiner beruflichen Neuorientierung. „Als Sozialbetreuer kann ich den Alltag von Menschen positiv beeinflussen. Das ist ein schönes Gefühl.“

Informationen zu den Ausbildungen in den Caritas-Schulen für Sozialbetreuungsberufe und Termine für Infoabende auf www.josee.at