Caritas-Direktor Mathias Mühlberger in einem Gastkommentar in den Oberösterreichischen Nachrichten vom 17. Jänner 2007 zur aktuellen Pflegedebatte über eine 24-Stunden-Betreuung.
Es ist nicht zu überhören: Mit lautem Getöse verkündet die Regierung die „Lösung der Frage der 24-Stunden-Betreuung“ und preist die neue Einigung in Sachen Amnestie für illegale Pflegekräfte als „gut“ für die Betroffenen an. Und nach dem ständigen nervenaufreibenden Hick-Hack der Regierungsparteien ist man ja auch versucht, die Einigung in diesem Teilaspekt bereits als Lösung des Problems hin zu nehmen. Noch dazu, wo doch Sozialminister Buchinger betont, dass „Hinsehen statt Wegschauen“ die Devise seiner Politik sei.
Das wäre auch an sich sehr löblich, aber: Es kommt beim Hinsehen auch auf die Sehschärfe an. Und offenbar ist die Wahrnehmung der Regierungsparteien durch die parteipolitischen Profilierungsbestrebungen so getrübt, dass beim Hinsehen so manches „übersehen“ wird.
Zum Beispiel das Problem der Demenzerkrankungen. Wer einen an Demenz erkrankten Angehörigen betreut, weiß wie aufwendig das ist. Verwirrte Menschen können kaum ein paar Minuten allein gelassen werden. Trotzdem sind die meisten an Demenz erkrankten Menschen nur in Pflegestufe 2 eingestuft. Und bekommen so im neuen Pflegemodell keine Förderung zur 24-Stunden-Betreuung. Die pflegenden Angehörigen brauchen aber in vielen Fällen ausländische Pflegekräfte und ohne Förderung werden sie es sich nach wie vor nicht leisten können, diese legal anzustellen. Ebenso nicht leisten können sich die Legalisierung Menschen mit geringem Einkommen. Und nach wie vor keine Lösung gibt es auch für Menschen, die zwar keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung brauchen, mit den bestehenden Betreuungsangeboten durch die Mobilen Dienste aber dennoch nicht auskommen. Denn für die Förderung einer ausländischen Betreuungskraft ist ja der Bedarf an 24-Stunden-Betreuung nachzuweisen. Was hier fehlt, sind zusätzliche Betreuungsmodelle und finanzielle Hilfen.
Der Regierung muss damit eine starke „Sehschwäche“ in Hinblick auf die wirklichen Probleme und Bedürfnisse der Betroffenen attestiert werden. Natürlich ist es als Fortschritt zu werten, dass die Pflegefrage überhaupt endlich angegangen wurde. Doch die Lösung einer Teilfrage ist eben noch lange keine Gesamtlösung. Diese ist selbst für einen wohlwollenden Betrachter nicht zu erkennen.
Mathias Mühlberger, Direktor der Caritas in Oberösterreich