Am Donnerstag, 7. Mai 2009, fand im forte Fortbildungszentrum der Elisabethinen in Linz eine Enquete zum Thema „Zwischen Krankenhaus und daHeim“ statt. Die Veranstalter Caritas OÖ. und Krankenhaus der Elisabethinen Linz luden ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis ein, um die Problematik fehlender Versorgungselemente, komplexer Strukturen sowie finanzieller Fragestellungen im Gesundheits- und Sozialsystem zu diskutieren und Lösungsansätze zu finden.
Dr. Johannes Jetschgo moderierte die Veranstaltung und bezeichnete die aktuelle Situation im Pflege- und Betreuungsbereich als „Gordischen Knoten“, der in der Komplexität der politischen Verantwortlichkeiten läge.
In seiner Begrüßung wies Dir. Dr. Franz Harnoncourt darauf hin, dass neben dieser aktuellen Situation durch die Veränderung der Bevölkerungsstruktur die wirkliche Herausforderung für die Pflege und den Bereich zwischen Krankenhaus und Pflege wohl erst in den nächsten Jahren durch die deutliche Zunahme der über 60-, 70- und 80-Jährigen kommen wird. Eine Situation, die mehr als die finanziellen Aspekte auch die Frage nach genügend MitarbeiterInnen für die Betreuung und Pflege in allen Bereichen stellen wird. Auf den derzeitigen „Gordischen Knoten“ ging dann GF Josefine Mair ein:
„Wir befinden uns in einem Dschungel von Zuständigkeiten und Angeboten, in dem uns selbst wir als Fachleute nicht mehr zurecht finden. Was fehlt sind Strukturbausteine zwischen dem Krankenhaus und daheim bzw. dem Heim.“ So sei es unverantwortlich, wenn eine 85-jährige Bewohnerin nach einem Sturz mit Halswirbel-Fraktur schon nach 7 Tagen aus dem Krankenhaus wieder zurück ins Heim geschickt werde, weil die Liegedauer im Spital aus Kostengründen so kurz wie möglich gehalten wird. Im Seniorenwohnhaus fehle aber die erforderliche Personalstruktur, um die sehr aufwändige und pflegerisch anspruchsvolle Nachbetreuung zu übernehmen. „Einsparungen im Gesundheitssystem bedeuten hier, dass Leistungen vom Sozialsystem übernommen werden müssen – diese müssen aber auch entsprechend finanziert werden“, so Mair.
Ein Lösungsvorschlag liegt in der sogenannten „Vidierten Pflege“. Dabei handelt es sich um eine Versorgungsstruktur für PatientInnen, die keine akutmedizinische Versorgung mehr benötigen, allerdings trotzdem eine höhere Fachpersonaldichte brauchen, als sie in Seniorenwohnhäusern oder auch in der mobilen Hilfe und Betreuung vorgehalten werden kann. Dir. Harnoncourt betonte, dass die Vidierte Pflege oder andere Modelle, die aus dem In- und Ausland bekannt sind – neben einer optimierten Versorgung der zu Pflegenden - einerseits zur Entlastung der Krankenhäuser führt, andererseits möglicherweise unnötige Medikalisierung von Pflegenden vermeidet. Für die Versorgung daheim brauche es eine mobile Krankenhausnachbetreuung und Pflegeentlastungsdienste, betont Mair. Darüber hinaus fordert die Caritas einen Rechtsanspruch auf mobile Hilfe und Betreuung ein.
Ein Beispiel gelebter Zusammenarbeit ist die Betreuung langzeitbeatmeter PatientInnen im Caritas-Seniorenwohnhaus Karl Borromäus durch MitarbeiterInnen des Krankenhauses der Elisabethinen Linz.
Einheitliche Finanzierung
In den neun Bundesländern Österreichs gelten neun verschiedene Sozialhilfegesetze, welche den rechtlichen Rahmen für die Finanzierung von Pflege und Betreuung vorgeben: „Die Frage, mit welchen Leistungen jemand in Österreich im Fall von Pflegebedürftigkeit rechnen kann, kann nicht beantwortet werden, da die Finanzierung der Pflege in jedem Bundesland anders aussieht“, erklärt Josefine Mair. „Die Caritas schlägt eine österreichweit einheitliche Finanzierung vor, die durch die Schaffung eines Pflegelastenausgleichsfonds erreicht werden könnte. So könnte es einen Mindeststandard geben, auf den Rechtsanspruch besteht.“
Ein solcher Fonds sei prinzipiell sinnvoll, so Univ.-Prof. DDr. Johann Brunner von der Universität Linz. Es sei jedoch die Frage, woher die Mittel für den Fonds kommen sollten. Brunner spricht sich für einen Umbau des Steuersystems in Richtung vermögens- statt arbeitsbezogener Steuern aus. „Die Pflegevorsorge ist eine öffentliche Aufgabe. Sie sollte Bestandteil der sozialen Absicherung sein, wie Pensionen oder Gesundheit“, so Brunner. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal (Universität Wien) sprach sich dafür aus, für die Sicherstellung der Finanzierung von Pflege und Betreuung Geld aus den „inneren Systemfehlern“, die ein „Flickwerk“ darstellten, heraus zu holen.
Ein erster Schritt zur Lösung der Strukturprobleme wurde mit dem Nahtstellenmanagementprojekt des Landes OÖ getan: Hier kommen erstmals VertreterInnen aus Gesundheits- und Sozialwesen mit PolitikerInnen an einen Tisch, um über Lösungsansätze zu beraten, berichtete Dr.in Andrea Wesenauer von der OÖGKK.
„Die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen sind den Erfordernissen der heutigen Zeit nicht angepasst, sinnvolle Strukturen (Gruppenpraxen, Allgemeine Versorgungszentren u.ä. Modelle) rechtlich nicht abgesichert“, betonte Univ.-Prof. Wolfgang Mazal von der Universität Wien. Hier sei Vereinheitlichungs- und Handlungsbedarf gegeben. Ebenso beim der Ausbau der Versorgung zu Hause. Auch wenn Überleitungspflege, Kauskranken- und Palliativpflege vorhanden ist, werde dies von separaten Gruppen mit unterschiedlicher Finanzierung angeboten.
Am Podium diskutierten neben Josefine Mair (Geschäftsführerin Caritas für Betreuung und Pflege in OÖ) Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal (Universität Wien), Univ.-Prof. DDr. Johann Brunner (Universität Linz), Dir. Dr. Franz Harnoncourt (Geschäftsführer und ärztlicher Direktor KH der Elisabethinen Linz) und Dir. in Dr.in Andrea Wesenauer (OÖGKK, Vertreterin des Nahtstellenprojektes des Gesundheitsfonds).