Foto: OÖSB Am Bild (v.l.n.r.): Präsidentin Ö Seniorenbund LAbg. Ingrid Korosec, Direktor Caritas OÖ Franz Kehrer, LO LH a.D. Dr. Josef Pühringer, Univ. Prof. Dr. Marcus Mund, BR Mag. Franz Ebner.

Gegen Einsamkeit - Soziale Kontakte als Nahrungsmittel für Geist und Seele

Einsamkeit macht immer mehr Menschen zu schaffen. Allerdings droht diese Problematik in Anbetracht des Wegfalls der Corona-Maßnahmen und der aktuellen Herausforderungen in den Hintergrund zu treten. Aber Einsamkeit ist nicht nur ein unangenehmes Gefühl, sondern kann auch schwere gesundheitliche Folgen haben. Deshalb lud der OÖ Seniorenbund zu einer Pressekonferenz ein. Auch Caritas Direktor Franz Kehrer, MAS nahm an der Gesprächsrunde teil:

In unserer Arbeit als Caritas erleben wir in vielen Tätigkeitsfeldern immer wieder, worunter Menschen ganz besonders leiden: an zerbrochenen Beziehungen, Einsamkeit, Ausgrenzung, fehlenden sozialen Netzen.

Einsamkeit im Alter erleben vor allem unsere Mobilien Pflegedienste in 91 Gemeinden in Oberösterreich täglich. Sie beobachten, dass Einsamkeit früher eher im städtischen Bereich anzutreffen war, nun aber auch zunehmend am Land. Denn die Familienstrukturen haben sich geändert, größere Familienverbände an einem Ort gibt es immer seltener.
Die Einsamkeit trifft aber nicht nur alte Menschen. Wir als Caritas erleben sie ebenso bei Menschen, die ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause betreuen und z.B. bei Demenz der zu pflegenden Person kaum die Möglichkeit haben, das Haus zu verlassen. Unsere Servicestelle für pflegende Angehörige bietet ihnen psychosoziale Beratung und Treffpunkte an, wo sie sich regelmäßig untereinander austauschen können.
Wir sehen es aber auch bei anderen Personengruppen, die aus anderen Gründen von der Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Menschen mit Beeinträchtigungen oder Menschen, die in Armut leben. In unserer Wärmstube oder beim Help-Mobil, der medizinischen Versorgung für Obdachlose auf vier Rädern, sehen wir beispielsweise immer wieder, dass unsere Sozialarbeiter/innen sowie Ehrenamtliche oft die einzigen sozialen Kontakte und Gesprächspartner für die obdachlosen Menschen sind.

Besuchsdienste von Ehrenamtlichen
Über die Mobilen Pflegedienste organisiert die Caritas OÖ in 45 Gemeinden auch einen Besuchsdienst für ältere Menschen. Dabei engagieren sich rund 65 Ehrenamtliche und bringen ein wenig „Sonne“ in den Alltag einsamer Menschen. Dabei ist ein Anstieg der ehrenamtlich geleisteten Stunden erkennbar: Bereits mit Ende drittem Quartal 2022 wurden so viele Stunden (gut 1100 Stunden) ehrenamtlich geleistet wie im gesamten Jahr 2021. Viele der freiwilligen Mitarbeiter/innen sind auch bereits in Pension und schätzen es selbst sehr, damit eine Aufgabe und Gesellschaft zu haben.
Ehrenamtliche Besuchsdienste bieten wir außerdem für die Menschen in unseren vier Seniorenwohnhäusern an – hier engagieren sich aktuell 45 Freiwillige. Und 85 ehrenamtliche Mitarbeiter/innen unserer Mobilen Hospizteams sorgen in sieben oö. Bezirken dafür, dass auch in der letzten Lebensphase weder die Patienten/innen, noch die Angehörigen allein sein müssen – weder physisch, noch emotional. Auch nach dem Tod stehen den Trauernden die Hospizteams in Einzel- oder Gruppengesprächen zur Seite.

Plaudernetz der Caritas
Corona hat uns für das Verständnis von Einsamkeit auch eine Tür geöffnet, um das Thema aus der „Tabuzone“ zu holen. Österreichweit wurde zu Beginn der Pandemie von uns als Caritas u.a. das „Plaudernetz“ gestartet: ein telefonisches Angebot gegen Einsamkeit und soziale Isolation. Menschen, die sich freiwillig engagieren und mit einsamen Menschen am Telefon plaudern möchten, können sich unter www.plaudernetz.at registrieren. Menschen, die einen Plauderpartner suchen, weil sie sonst niemanden zum Reden haben, können unter der Nummer 05-17 76 100 – täglich von 12.00 bis 20.00 Uhr – anrufen und werden dann mit einem/einer der freiwilligen Plauderpartner/in verbunden. Das Angebot wird sehr geschätzt – seit dem Start im April 2020 wurden 28.200 Gespräche über das Plaudernetz geführt, 4.100 freiwillige Plaudernetzpartner/innen haben sich registriert. Täglich wurden und werden zwischen 30 und 100 Gespräche geführt. Interessant ist hier auch zu beobachten, dass Einsamkeit keine Frage des Alters ist: die Anrufer/innen sind im Alter zwischen 40 und 85, manche auch älter. Es melden sich Männer ebenso wie Frauen.
 

In Linz bieten wir als Caritas eine Alltagsbegleitung an, bei der Mitarbeiter/innen älteren Menschen Gesellschaft leisten, für sie Einkäufe erledigen oder sie z.B. zu Ärzten oder Behörden begleiten.
Ein Zivildiener, der bei uns in der Alltagsbegleitung für Senior/innen mithilft, hat uns kürzlich von einer für ihn sehr prägenden Erfahrung erzählt: Er kam zu einer älteren Dame, die alleine lebt und sich gerade in einer schwierigen Lebenssituation befand. Ihr Alltag war geprägt vom Alleinsein und von schweren Depressionen. Der 20-Jährige erzählte ihr dann von seinen Erfahrungen und wie er so einer Situation schon einmal entkommen ist. „Ich habe sie dazu motiviert, gemeinsam mit mir den Haushalt wieder ins Laufen zu bringen. Eine gemeinsame Putz-Tour hat ihr gezeigt, dass eine saubere Umgebung viel zum mentalen Wohlbefinden beiträgt“, berichtete er. Ein paar weitere Gespräche und einfach das Gefühl zu vermitteln, es ist jemand da und hört zu, haben dazu geführt, dass die Wohnung bei den Folgebesuchen immer ordentlicher wurde. Die Frau hat sogar wieder zu Kochen begonnen und ihre geistige Gesundheit hat sich merklich verbessert.

Folgen einer „Mangelernährung“ für den Einzelnen und die Gesellschaft
Dieses Beispiel zeigt sehr eindrücklich, wie Einsamkeit Geist und Seele zusetzt und sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirkt. Und es zeigt auch, wie Menschen wieder „aufleben“, wenn sie Zuwendung erleben, sich gehört und angenommen fühlen. Soziale Beziehungen sind also ein „Grundnahrungsmittel“ für Geist und Seele. Wenn sie uns fehlen, leiden wir seelischen Hunger. Eine Mangelernährung in Form von Einsamkeit hat schwerwiegende Folgen – für den Einzelnen ebenso wie für unsere Gesellschaft. Denn das Grundnahrungsmittel „soziale Kontakte“ braucht nicht nur jeder und jede einzelne von uns, sondern auch unsere Gesellschaft. Sozialer Zusammenhalt und Solidarität sind ihr Bindemittel. Eine Zunahme an Einsamkeit macht unsere Gesellschaft auch in dieser Hinsicht ärmer. Und ohne sozialen Zusammenhalt bricht sie auseinander.

Vollständige Unterlage der Pressekonferenz