Freude am Lesen kommt auf vier Pfoten

Mit der Kooiker-Hündin Quinta verfliegt die Scheu vor dem Buchstaben-Dschungel. Die „Lesehündin“ hilft Kindern dabei, Ängste und Zweifel zu überwinden.

„Wer möchte als Erster lesen?“, fragt Bettina Falzeder. Die drei Burschen vor ihr kennen kein Halten. Zwei Hände schießen in die Höhe. „Ich, bitte“, ruft Amar gleich. „Ich bin der beste Leser!“

Amar kennt die Lesehündin Quinta schon und hat auch selbst einen zweijährigen Husky zuhause. Er hat keine Scheu mehr – weder vor der Hündin, noch davor, in diesem Umfeld laut vorzulesen. Das ist für Bettina Falzeder nicht selbstverständlich: Was es mit Kindern macht, wenn ihnen beim Vorlesen jeder Fehler korrigiert wird, sieht sie regelmäßig. Sie erinnert sich an einen Jungen aus Syrien mit einem leichten Sprachfehler. Nach jedem Wort, das er las, blickte er auf, sah die Trainerin an und wartete darauf, korrigiert zu werden. „Das muss man sich einmal vorstellen, wie es einem Kind geht, wenn ihm vermittelt wird, jedes Wort, das es spricht, sei falsch“, betont Falzeder.

Ständige Korrekturen gibt es von ihr daher keine. Denn Falzeder stößt mit dem Lesehund-Projekt in eine andere Richtung: „Wir bessern die Kinder nicht aus. Sie sollen das Vertrauen entwickeln, dass sie bei uns laut lesen können, ohne gleich Kritik abzubekommen“, erklärt sie. „Mit der Zeit wird das Lesen dann immer flüssiger – und besser.“

Spielend lesen lernen

Bei den drei Jungen ist von Hemmungen nichts zu merken. Während einer von ihnen eine Bildbeschreibung vorliest, springen die anderen beiden aufgeregt zwischen den am Boden liegenden Bildern umher: Mal sitzt der Hund auf den Bildern auf dem Sessel, mal liegt er darunter. Mal ist die blaue Futterschüssel links vom Sessel, mal die rote. Die Buben machen einen kleinen Wettstreit daraus, wer das Bild zuerst findet. Amar schnappt sich ein Bild, noch bevor Yusuf die Beschreibung ganz vorgelesen hat. Es ist das falsche – zurück zum Start.

„Wo ist der Hund nochmal?“, fragt Amar. Yusuf liest die Beschreibung dreimal vor. Noch immer ist das richtige Bild nicht gefunden. „Hör zu!“, ruft Yusuf. „Der Hund steht auf dem weißen Stuhl. Die rote Futterschüssel…“ – Yusuf ist noch nicht fertig, da fällt Amar ihm schon ins Wort: „Was hast du gesagt?“ Nicht nur das Lesen, auch das Zuhören will geübt werden.

Sind alle Bilder gefunden, ergibt sich ein Losungswort: „Kreis“. Dann kommt Quinta zum Einsatz. Trainerin Bettina Falzeder zeigt vor, mit welchem Zeichen sie Quinta signalisiert, um ihre Beine zu laufen. Als Belohnung gibt es Futter. Die Kinder dürfen es der Reihe nach auch versuchen.

Vierbeiniger Freund gibt positives Feedback

Jede Woche kommt der Lesehund in die Caritas-Lerncafés. Beim ersten Mal ist die Aufregung riesengroß – und auch die Vorsicht, mit der die Kinder dem Hund begegnen. Sie lernen einander kennen. Von Mal zu Mal wird mehr gelesen, die Texte werden schwieriger, die Aktivitäten mit dem Hund intensivieren sich. Das Lesen wird für die Kinder zur Nebensache – viel spannender ist der Hund. Doch genau dadurch lesen sie mehr und ohne Scheu. Das Miteinander mit dem Hund gibt den Kindern die dauerhafte positive Rückmeldung, die sie sonst beim Lesen nie bekommen. Plötzlich spielt es keine Rolle mehr, dass sie eine Beschreibung fünfmal vorlesen sollen. Im spielerischen Wettstreit macht es sogar Spaß.

„Selbst beim dritten Besuch merkt man schon riesige Fortschritte bei den Kindern“, weiß Falzeder. Besonders Kinder, die wenig Selbstwert in Bezug auf das Lesen haben, profitieren von dem Projekt. Und auch der Stolz ist nach der Stunde mit dem Lesehund ganz groß: Neben Quinta ist auch der doppelt so große Mischling Oliver mit dabei. Für Oliver ist der letzte Tag seiner Ausbildung zum Therapiehund – nur gut geprüft dürfen sie in den Einsatz in die Lerncafés. Im Vergleich zu der zierlichen Quinta ist Oliver ein richtiger Bär. Der Respekt der Kinder dementsprechend größer – und auch das Strahlen ihrer Gesichter, nachdem sie sich getraut haben, auch Oliver zu füttern und ihn anzuleiten. Und man sieht den Kindern an: Der Lesehund macht das Vorlesen zum Highlight ihres Tages und baut Hemmungen in vielerlei Hinsicht ab.

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