"Sechs Gebote der Stunde" gegen die Armutsfalle Wohnen

Das Problem mit steigenden Wohnkosten ist schon lange kein "Randthema" mehr. Es ist inzwischen zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Brennpunkt geworden, der immer mehr Menschen betrifft. Im Rahmen einer Pressekonferenz nahmen Caritas-Direktor Franz Kehrer, MAS, und DSA Maria Ehmann, Leiterin der Caritas Sozialberatung OÖ., zum Thema Stellung. Während Ehmann über ihre Erfahrungen aus der Praxis berichtete, präsentierte der Caritas-Direktor die "Sechs Gebote der Stunde".

„Obwohl es Thema im Wahlkampf war, ist leider überhaupt nicht zu bemerken, dass sich die Politik diesem Thema ernsthaft annimmt.  Es ist dringend an der Zeit, dass den politischen Lippenbekenntnissen endlich Taten folgen, denn hier geht es um das "Dach über dem Kopf" - ein Grundbedürfnis von uns allen. Wenn das Wohnen für immer mehr Menschen kaum mehr leistbar ist, so hat das gefährliche Nebenwirkungen: Wohnen wird zunehmend zur Armutsfalle“, so Franz Kehrer.

Nachdem er die "Sechs Gebote der Stunde" gegen die Armutsfalle Wohnen präsentierte (siehe unten), brachte es der Caritas-Direktor noch einmal auf dem Punkt: "Leistbarer Wohnraum gehört zu jenen Leistungen der Daseinsvorsorge, für welche die öffentliche Hand verantwortlich sein und bleiben muss und bei der man sich nicht allein auf die Mechanismen des Marktes verlassen darf. Genossenschaftlicher bzw. gemeinnütziger geförderter Wohnbau ebenso wie eine Subjektförderung in Form der Wohnbeihilfe müssen daher als Solidarausgleich integrativer Bestandteil eines Wohlfahrtsstaates sein."

DSA Maria Ehmann, Leiterin der Caritas Sozialberatungsstellen: "In den Caritas-Sozialberatungsstellen sind Probleme mit den Wohn- und Energiekosten in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema geworden: bei fast der Hälfte der Vorsprachen geht es darum. Die KlientInnen der Caritas-Sozialberatungsstellen in OÖ. müssen rund 40 % ihres Einkommens (inklusive Wohnbeihilfe) für Wohnen und Energie aufbringen. Die Reform der Wohnbeihilfe mit den erfolgten Anspruchsbeschränkungen hat das Problem zusätzlich verschärft."

Caritas-Hilfe dank Spenden aus der Haussammlung
Im Rahmen der Caritas-Haussammlung gehen heuer wieder rund 6.500 pfarrliche MitarbeiterInnen im April und Mai ehrenamtlich von Tür zu Tür und bitten um Spenden - das gesammelte Geld kommt Menschen in Not in Oberösterreich zugute, die bei der Caritas Hilfe suchen. Es ermöglicht Unterstützung durch die Caritas-Beratungsstellen und sichert die Existenz von Caritas Einrichtungen für Menschen in Not (z.B. Haus für Mutter und Kind, Hartlauerhof, Lerncafés etc.). Außerdem wurde im Herbst ein Kautionstopf begründet, aus dem man Menschen nach dem Prinzip Mikrokredit bei den Erstanmietungskosten mit einem zinsfreien Darlehen unter die Arme greift.

Im Vorjahr wurden in 472 Pfarren insgesamt 1,8 Millionen Euro gesammelt - diese überwältigende Unterstützung der OberösterreichInnen freut Caritas-Direktor Franz Kehrer, MAS: "Ich bin sehr dankbar, dass es viele Spenderinnen und Spender gibt, die immer wieder hinschauen, sich für andere einsetzen und große Solidarität zeigen. Denn Sie bewirken mit ihren Spenden, dass z.B. viele Familien in Not genug zu essen haben, ihre Stromrechnungen bezahlen oder ihre Kinder mit dem Nötigsten versorgen können. "


Die "Sechs Gebote der Stunde" gegen die Armutsfalle Wohnen: 

  • Wiedereinführung der Zweckwidmung für die Wohnbauförderung

Die Wohnbaufördergelder des Bundes sollen in den Ländern wieder zweckgewidmet für den Wohnbau - und hier insbesondere für den gemeinnützigen Wohnbau - eingesetzt werden. Ebenso müssen auch die Rückflüsse aus den Wohnbaudarlehen wieder diesem Zweck gewidmet werden, denn nur so kann mehr und auch günstigerer Wohnraum geschaffen werden. Der geförderte gemeinnützige Wohnbau hat auch preisdämpfenden Einfluss auf den gesamten Wohnungsmarkt. 

  • "Wiederbelebung" des sozialen Wohnbaus und verbindliche Kostendämpfung

Der gemeinnützige oder "soziale" Wohnbau wurde in Österreich Anfang des 20. Jahrhunderts begründet, um die damalige Armut zu bekämpfen. Der soziale Wohnbau hat entscheidend zu unserem vergleichsweise hohen Lebensstandard in Österreich beigetragen und sozialen Ausgleich geschaffen. Gerade auch in Oberösterreich ist der Anteil an Wohnungen von gemeinnützigen Bauträgern im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ hoch.
Angesichts der Krise und der ansteigenden Wohnkosten ist es dringend an der Zeit, sich wieder auf den sozialen Wohnbau als Maßnahme zur Armutsprävention rück zu besinnen. Der gemeinnützige Wohnbau braucht dringend eine "Wiederbelebung", denn die ursprüngliche Zielsetzung, leistbaren Wohnraum in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen, ist heute ins Hintertreffen geraten.
Es muss mehr neuer Wohnraum geschaffen werden, wobei allerdings künftig im sozialen Wohnbau wieder viel mehr darauf geachtet werden muss, die Kosten und damit auch die Mieten so günstig wie möglich zu halten. Dafür muss es verbindliche Baukostenbeschränkungen geben, ein freiwillig einsetzbarer Wirtschaftlichkeitsbeirat greift hier zu kurz. Und nachdem die Höhe der Grundkosten dabei auch eine entscheidende Rolle spielen: die Gemeinden müssten deutlich mehr gemeindeeigene Flächen für den sozialen Wohnbau kostengünstig zur Verfügung stellen.

  • Anspruchsbeschränkungen bei der Wohnbeihilfe überdenken

Wichtig ist es in erster Linie, genügend günstigen Wohnraum zu schaffen, die Wohnbeihilfe soll immer nur ein ergänzendes Mittel zur Armutsbekämpfung bleiben. Wenn allerdings in Zeiten wie jetzt, in denen nicht genügend leistbarer Wohnraum zur Verfügung steht, der Anspruch auf Wohnbeihilfe beschränkt und damit armutsgefährdete Bevölkerungsgruppen aus der Inanspruchnahme ausgeschlossen werden, dann wird damit die Armut gefördert. Nachdem viele Menschen mit geringem Einkommen auf privat vermietete Wohnungen angewiesen sind, brauchen sie auch einen Anspruch auf Wohnbeihilfe unabhängig vom Mietpreis. Das ist derzeit aber nicht gegeben: Wenn die Miete mehr als 7 Euro pro Quadratmeter kostet, besteht kein Anspruch auf Wohnbeihilfe mehr. 
Sehr problematisch ist auch die letztes Jahr erst - neben vielen anderen Verschlechterungen - eingeführte Vorgabe für AlleinerzieherInnen, einer besonders armutsgefährdeten Gruppe: nachdem die Alimente nun bis zu einer Höhe von 162 Euro dem Einkommen zugerechnet werden, haben viele plötzlich keinen oder weniger Anspruch auf Wohnbeihilfe. Das ist gerade für jene dramatisch, die ohnehin weniger Alimente erhalten. Sozial gerechter wäre es, Alimente erst ab einer bestimmten Höhe anzurechnen und nicht jene zu bestrafen, die ohnehin nur wenig bekommen.

  • Unterstützung für Menschen mit geringem Einkommen bei den Erstanmietungskosten

Kautionen und andere Erstanmietungskosten bedeuten für Menschen mit geringem Einkommen hohe Zugangshürden zu Wohnraum. Hilfreich wäre hier ein zinsfreies Erstanmietungsdarlehen vom Staat z.B. über 5 Jahre rückzahlbar mit geringfügig höherer Miete. Darüber hinaus bräuchte es aber für Menschen in akuten Notlagen (z.B.: Mindestpensionisten, MindestsicherungsbezieherInnen, etc.) auch eine einmalige und zweckgebundenen Sonderförderung für die Kosten der Neuanmietung.

  • Einführung von wirksamen  Mietpreisbegrenzungen

Auch am privaten Wohnungsmarkt braucht es wirksame Mietzinsbegrenzungen, denn bei den Zu- und Abschlägen, die MieterInnen oft wahllos verrechnet werden, hat sich ein undurchsichtiger und oft sehr teurer "Dschungel" entwickelt. Es müssen alle möglichen Zu- und Abschläge, die rechtlich zulässig sind, im Mietschutzgesetz vollständig aufgelistet werden. Und es braucht eine Deckelung der Gesamthöhe dieser Zuschläge. 

  • Recht auf Wohnen verankern

Es ist beschämend für Österreich, dass unser Land die Artikel 30 (Recht auf Schutz vor Armut) und 31 (Recht auf Wohnung) der Europäischen Sozialcharta nicht ratifiziert hat. Wir brauchen ein Bekenntnis zu diesen Menschenrechten und eine Verankerung in der Verfassung.

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